III. Leistungsstörungen: Nicht- und Schlechtleistung
Nachdem die einzelnen vertraglichen Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber erläutert worden sind, soll nun auf die Behandlung von Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis eingegangen werden. Unter Leistungsstörungen sind Komplikationen im Austausch der gegenseitig geschuldeten Leistungen zu verstehen.
1. Verletzung der Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitsleistungspflicht dadurch verletzen, dass er die Arbeitsleistung entweder gar nicht oder schlecht erbringt.
a.) Nichtleistung
Im Arbeitsrecht gilt grundsätzlich „ohne Arbeit kein Lohn“. Aufgrund einer begrenzten „Lebensarbeitszeit“ können einmal versäumte Arbeitszeiten nicht einfach nachgeholt werden. Infolge des Zeitablaufes ist die Erbringung der Arbeitsleistung mithin unmöglich geworden (§ 275 Abs.1 BGB) und die Leistung von Unmöglichem kann von niemandem verlangt werden. Im Gegenzug entfällt aber auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gegenleistung (§ 326 Abs.1 BGB), den Arbeitslohn. Die Nichterbringung der Arbeitsleistung kann zudem zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers (etwa für entstandene Mehrkosten) führen oder einen Kündigungsgrund darstellen (siehe unten).
Doch kein Grundsatz ohne Ausnahmen: Der Arbeitnehmer verliert seinen Entgeltanspruch dann nicht, wenn der Arbeitgeber für den Umstand, auf Grund dessen der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht erbringen konnte, verantwortlich ist, § 326 Abs.2 S.1 BGB. Der Lohnanspruch bleibt weiterhin erhalten, wenn sich der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung im Verzug befand oder sich ein Betriebs- und Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers verwirklicht hat, § 615 BGB. Beim sog. Betriebsrisiko geht es insbesondere um Fälle, in denen weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer die technische oder wirtschaftliche Störung zu vertreten haben, diese aber in der Sphäre des Betriebes lag und der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung fähig und bereit war. Da der Arbeitgeber in den Genuss der wirtschaftlichen Vorteile des Betriebes kommt, sollen ihm auch die Betriebsrisiken aufgebürdet werden. Als Beispiel sei etwa ein Produktionsstopp aufgrund Stromausfalls oder Naturkatastrophe zu nennen. Eine Entlohnungspflicht besteht des Weiteren bei einer Leistungsverhinderung aus persönlichen Gründen, etwa aufgrund eines Todesfalles naher Angehöriger, Hochzeit oder Geburt eines Kindes, § 616 Abs.1 BGB. Schließlich muss auch bei Krankheit des Arbeitnehmers nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) für bis zu 6 Wochen der Lohn gezahlt werden. Hat ein Dritter die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers verschuldet, geht der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Dritten insoweit auf den Arbeitgeber über, § 6 EFZG. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber, der zur Fortzahlung des Arbeitslohnes verpflichtet war, sich an den Dritten halten kann/muss. Grundsätzlich ebenfalls zu entlohnen sind Erholungsurlaub (§ 11 BUrlG), Feiertage (§ 2 EFZG), Mutterschaftsurlaub (§ 11 MuSchG) sowie Betriebsratstätigkeiten (§ 37 BetrVG).
b.) Schlechtleistung
Für den Fall der Schlechtleistung ist der Charakter des Arbeitsvertrages als Dienstvertrag zu betonen. Dabei wird im Gegensatz zum Werkvertrag kein konkreter Arbeitserfolg geschuldet, sondern „nur“ die Arbeitsleistung als solche. Bei schlechter Qualität kommt weder eine Lohnminderung noch eine Nachbesserung in Betracht.
Allerdings macht sich der schlecht leistende Arbeitnehmer unter Umständen schadensersatzpflichtig für Schäden, die dem Arbeitgeber durch die nicht ordnungsgemäße Arbeitsleistung entstanden sind. Hierfür gelten im Arbeitsrecht die Besonderheiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Angesichts menschlicher Unzulänglichkeit können selbst dem sorgfältigsten und zuverlässigsten Arbeitnehmer Fehler unterlaufen. Im Zivilrecht hat jedoch schon leichte Fahrlässigkeit eine volle Schadensersatzhaftung zur Folge. Da aber der Arbeitgeber letztlich von der Durchführung risikobehafteter Arbeit profitiert, mögliche Schäden schnell den Lohn des Arbeitnehmers übersteigen und ihn so in seiner Existenz gefährden, sind von der Rechtsprechung Haftungsmilderungen anerkannt. Danach scheidet bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten und bloß leichter Fahrlässigkeit eine Haftung des Arbeitnehmers gänzlich aus, erst bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der Arbeitnehmer in der Regel voll. Betrieblich veranlasst sind solche Tätigkeiten, die dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich übertragen wurden oder die er im Interesse des Arbeitgebers ausführt. Bei normaler Fahrlässigkeit erfolgt eine einzelfallabhängige Quotelung des Schadens, je nach Schadensumfang, Verschuldensgrad, Vergütungshöhe und dem Grad der Gefahrengeneigtheit der Arbeit. Hat der Arbeitnehmer im Rahmen seiner betrieblich veranlassten Tätigkeit einen Dritten geschädigt, so hat er grundsätzlich einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber. Dieser hat dann an den Dritten insoweit zu leisten, wie der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs von seiner Haftung gegenüber dem Arbeitgeber befreit wäre.
Ein letzter Punkt, der an dieser Stelle angesprochen werden soll, ist Haftung des Arbeitnehmers für Fehlbestände. Durch sog. Mankoabreden kann die Verantwortlichkeit für Warenlager und Kassenbestände vertraglich geregelt werden. Derartige Abreden sind allerdings nur dann wirksam, wenn die Haftung auf die Höhe einer für einen bestimmten Ausgleichszeitraum vereinbarten Mankovergütung begrenzt ist.
Schlechtleistungen können auch einen Kündigungsgrund darstellen (siehe unten).