II. Inhalt des Arbeitsverhältnisses: Arbeitsleistungs- und Lohnzahlungspflicht
Nachfolgend wird der schuldrechtliche Inhalt des Arbeitsverhältnisses in einigen wichtigen Punkten erläutert. Als Hauptleistungspflichten stehen sich hierbei die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers gegenüber, vgl. § 611 Abs.1 BGB.
1. Arbeitsleistungspflicht; Art, Umfang und Ort
Der Arbeitnehmer ist in der im Arbeitsvertrag bestimmten Art, im bestimmten Umfang, der bestimmten Zeit und am bestimmten Ort zur Arbeitsleistung verpflichtet (Arbeitsleistungspflicht). Diese Punkte sind mithin unbedingt im Arbeitsvertrag zu regeln. Sind in einem Arbeitsvertrag dazu keine Bestimmungen getroffen, ist durch Auslegung zu ermitteln, zu welcher Arbeitsleistung der Arbeitnehmer verpflichtet ist. Grundsätzlich gilt, dass die Art der Arbeitsleistung, soweit sie nicht vertraglich festgelegt ist, nach der Verkehrssitte zu ermitteln ist. Dabei ist auf die Arbeit vergleichbarer Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung abzustellen.
Hinsichtlich des Umfangs gilt, soweit vertraglich nichts Besonderes festgelegt ist, dass der Arbeitnehmer diejenige Arbeitsleistung schuldet, die er bei angemessener Ausschöpfung seiner Fähigkeiten und Kräfte nach seinem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen erbringen kann. Daraus folgt, dass der Umfang der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern zu Arbeitnehmer unterschiedlich sein kann. Der Arbeitnehmer schuldet nicht jederzeit Höchstleistungen. Er darf jedoch seine Arbeitskraft ebenso wenig bewusst zurückhalten.
Die Arbeitszeit ist öffentlich-rechtlich im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zwingend festgelegt. Dort sind Höchstzeiten bestimmt, welche nicht überschritten werden dürfen. In dem vorgegebenen Rahmen ist jedoch die Arbeitszeit durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung regelbar. Als Arbeitszeit gelten auch die Zeiten der Arbeitsbereitschaft und des Bereitschaftsdienstes, § 7 Abs.1 ArbZG. Im Gegensatz dazu zählt die Rufbereitschaft als Ruhezeit, § 5 Abs.3 ArbZG.
Arbeitsleistungspflicht und Lohnzahlungspflicht können vorübergehend teilweise durch Einführung von Kurzarbeit ruhen. Die rechtmäßige Einführung von Kurzarbeit setzt einerseits eine Rechtsgrundlage (Kurzarbeitsklauseln in Einzelarbeits-, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen) und andererseits die Zustimmung des Betriebsrates (§ 87 Abs.1 Nr.3 BetrVG) voraus. Bei der rechtswidrigen Anordnung von Kurzarbeit setzt sich der Arbeitgeber dem vollen Lohnanspruch aus.
Der Arbeitsort bestimmt sich ebenfalls zunächst nach einer vertraglichen Vereinbarung. Fehlt eine solche, ist ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln, wo der Arbeitsort liegt. Dieser liegt grundsätzlich im Betrieb des Arbeitgebers. Es kann sich jedoch aus der Art der Arbeit stillschweigend eine andere Vereinbarung ergeben (z.B. bei Bauarbeitern, Kraftfahrern etc.).
Der Arbeitnehmer ist zur Arbeitsleistung vertraglich verpflichtet. Die Arbeitsleistung ist grundsätzlich in Person des Arbeitnehmers zu erbringen, § 613 BGB. Demzufolge darf ein Arbeitnehmer keinen Ersatzmann schicken. Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers stellt einen Vertragsbruch dar, es sei denn es besteht eine Befreiung von der Arbeitspflicht. Eine solche kann sich aus Gesetz, Kollektivvertrag oder einzelvertraglicher Vereinbarung ergeben.
Im Gegenzug zur Arbeitsleistungsverpflichtung des Arbeitnehmers besteht auch eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers. Diese wird aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers abgeleitet. Bestehen also keine überwiegenden Interessen des Arbeitgebers einen Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen, hat dieser ein (einklagbares) Recht auf Beschäftigung gegen den Arbeitgeber.
2. Lohnzahlungspflicht
Der Arbeitgeber ist durch den Arbeitsvertrag verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu zahlen, § 611 Abs.1 BGB. Auch ohne Vergütungsvereinbarung gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Deren Höhe bestimmt sich, bei Vorhandensein einer Taxe nach dieser, im Übrigen nach der üblichen Vergütung, § 612 BGB. Grundsätzlich ist also immer dann, wenn ein Arbeitsvertrag besteht, auch eine Vergütung für die geleistete Arbeit zu zahlen. Überstunden sind prinzipiell zusätzlich zu vergüten, aus Tarifverträgen können sich hierfür zusätzliche Lohnzuschläge ergeben.
In der Praxis werden teilweise sog. „Einfühlungsverhältnisse“ vereinbart. Dabei handelt es sich um eine Erprobungsphase, bei der für den zukünftigen Arbeitnehmer keine Vergütungsansprüche entstehen sollen. Dies ist grundsätzlich zulässig. Im Gegenzug für die Befreiung von der Vergütungspflicht des Arbeitgebers muss jedoch auch der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistungspflicht befreit werden. Entscheidend ist nicht nur, was vertraglich vereinbart wurde, sondern vor allem wie das Vertragsverhältnis „gelebt“ wird.
Üblicherweise wird eine Bruttovergütung vereinbart. Es kommt in der Praxis aber auch die sog. Nettolohnvereinbarung vor. Bei Letzterer muss der Arbeitgeber zusätzlich zu der vereinbarten Lohnzahlung auch die Sozialversicherung Abgaben und Steuern an den Arbeitnehmer bzw. an die Einzugsstelle abzuführen.